Einige Megatrends bestimmen den aktuellen Diskurs über die Zukunft der Arbeitswelt: Digitalisierung, demografischer Wandel und New Work, zusammengefasst unter dem Begriff Arbeit 4.0. Doch was bedeutet dies für Menschen mit Einschränkung? Bieten sich neue Chancen oder Risiken bei der Inklusion? Diese Themen standen im Zentrum der diesjährigen Ausgabe einer Veranstaltungsreihe der IHK Nürnberg für Mittelfranken zum Thema Inklusion, die thematisch mit dem Inklusionsamt des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZFBS) aufbereitet wird.

Arbeit 4.0 ist ein ohne Frage inflationär genutztes Schlagwort – doch rückt es eine der großen Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts in den Fokus. Wie gehen wir mit diesen Veränderungen hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Berufswelt um?

Einen Einblick in mögliche Wege für Arbeitnehmer gab Florian Treffer, Maschinenbauingenieur bei der Continental AG. Treffer ist seit seiner Kindheit nahezu taub und bedient sich beim alltäglichen Umgang des Lippenlesens. Dies sei jedoch nur bedingt bei großen Meetings und insbesondere bei Fremdsprachen wie Englisch einsetzbar, der Verkehrssprache bei Continental. Die Inklusion funktioniert für ihn dank einer Schriftdolmetscherin. Auch kurzfristig kann diese von und zu jedem Punkt der Erde online zugeschaltet werden, „notfalls auch aus Hawaii“, wie Treffer mit einem Schmunzeln feststellte. Das Gehörte wird dabei unmittelbar in geschriebenes Wort übersetzt und Treffer auf seinem Endgerät angezeigt. Vermittelt wird die Schriftdolmetscherin durch eine spezialisierte Agentur. Zur Verfügung steht der Service etwa zwanzig Stunden in der Woche. Schwierig ist es jedoch, wenn Meetings über längere Zeiträume gehen, die Simultanübersetzung ist für eine einzelne Dolmetscherin dann sehr anstrengend. Auch die Kosten sind ein wichtiger Faktor, hier kommt das ZBFS-Inklusionsamt als Kostenträger mit ins Boot.

Moderator Heinrich Moethe mit den Referenten Treffer und Wurm (v.l.n.r.)

Demgegenüber kennt Michael Polig die andere Seite – diejenige des Arbeitgebers. Er ist in der Personalabteilung bei Continental tätig und hat bei der Auswahl und Einarbeitung von Herrn Treffer mitgewirkt. In erster Linie sollen Persönlichkeit und Eignung eines Bewerbers entscheidend für die Personalauswahl sein, nicht vermeintliche Hürden die gemeinsam überwindbar sind. Doch die große Offenheit sich der Herausforderung der Inklusion zu stellen, zeugt auch von einer notwendigen Pragmatik, so Polig. In Zeiten des Fachkräftemangels besteht schlicht die Notwendigkeit, alle Möglichkeiten der Rekrutierung auszunutzen. Zudem seien inklusive Maßnahmen für die Firma Continental eine Gelegenheit, das Profil des eigenen Unternehmens als fortschrittlich und offen zu schärfen. „Der Wandel muss im Kopf beginnen“ – davon ist Michael Polig überzeugt. Nach seiner Erfahrung sind Führungskräfte oftmals nur wenig bis gar nicht auf die neue Situation vorbereitet, beispielsweise durch Fortbildungen.

Stevan Wurm, Berater der Integrationsfachdienst gGmbH, kennt solche Probleme der Inklusion. So scheiterten Bestrebungen oftmals schon an der passenden Ausstattung und dem Budget: Technik, Personal und nicht zuletzt eine hervorragende Internetverbindungen seien oftmals Grundvoraussetzungen. Zudem gäbe es keine Blaupausen, individuelle Lösungen seien immer notwendig. Ein Punkt, der weiterhin oft vergessen würde, sei der Datenschutz. Beispielsweise dürfen viele Applikationen aus dem Ausland nicht verwendet werden, weil erhobene Daten auf externen Servern gespeichert würden. Doch für alles gibt es Lösungen, wie Wurm betont. Der Integrationsfachdienst kann hier, für die Unternehmen kostenfrei, beratend zur Seite stehen.

Eine Teilnehmerin erprobte den Blindenrucksack des BIRNE7 e.V.

Es wurde im Verlauf der Veranstaltung offenkundig, dass zwar vieles ist in Bewegung ist, jedoch weiterhin enormer Bedarf an Innovation besteht um Inklusion möglich zu machen. Dies hat sich der BIRNE7 e.V. auf die Fahnen geschrieben, eine studentische Ideenschmiede aus Erlangen. Gegründet wurde sie im Rahmen eines ‚Hackathons‘ von Microsoft und der Aktion Mensch, bei dem Ingenieure und Informatiker über ein Wochenende zusammenkamen und um die vielversprechendsten Konzepte konkurrierten. Die sieben Studenten aus Erlangen setzten sich durch und konnten ein Startgeld einfahren. Die Idee: innovative, technikgestützte Lösungen für Inklusion entwickeln. Durch BIRNE7 vorgestellt wurden eine Simultanübersetzungs-Applikation, ein Rucksack mit Bewegungssensoren für Sehbehinderte sowie eine interaktive Museumsbegehung für Menschen mit Einschränkung. Das Budget hierzu erhält der Verein bisher in kleinerem Rahmen über das Gewinnen von Wettbewerben und Spenden. Zukünftig hofft man aber auf eine Nutzung der entwickelten Technologien in größerem Umfang sowie eine damit einhergehende grundständige Finanzierung.

Teilnehmerinnen im Diskurs am Stand des ZFBS

Klar wurde auf der Veranstaltung, Innovation ermöglicht Inklusion. Lösungen gibt es und die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Behinderung in der beruflichen Praxis so oft keine Einschränkung mehr bedeutet.

Weblinks zur ZBFS, Integrationsfachdienst, BIRNE7 e.V        
https://www.zbfs.bayern.de/behinderung-beruf/inklusionsamt/
https://www.ifd-mittelfranken.de/