Regeln des Arbeitsschutzes gelten auch für Mitarbeiter, die mobil arbeiten. Was müssen die Arbeitgeber beachten?

Selten war mobiles Arbeiten so aktuell wie in Zeiten von Corona. Die mobile Arbeit – insbesondere von zu Hause aus – ist ein probates Mittel, um sich und die Kollegen vor Ansteckung zu schützen und die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Gleichzeitig reduziert sich das Risiko, dass ganze Teams oder Abteilungen unter Quarantäne gestellt werden müssen und sich ein geregelter Betriebsablauf nicht mehr aufrechterhalten lässt.

Was bedeutet mobiles Arbeiten?

Eine gesetzliche Definition für mobile Arbeit gibt es nicht. Kennzeichnend ist, dass der Arbeitnehmer an unterschiedlichen Orten arbeitet und die Verbindung zum Betrieb über mobile Endgeräte herstellt. Oft wird von unterwegs gearbeitet, während der Zugfahrt, am Flughafen oder im Hotel. Aber auch das kurzfristig eingerichtete Corona-Homeoffice in den eigenen vier Wänden, wie es in den letzten Monaten vielfach genutzt wurde, fällt in der Regel unter den Begriff mobiles Arbeiten und ist abzugrenzen vom Telearbeitsplatz nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).

Telearbeitsplätze werden laut § 2 Abs. 7 ArbStättV folgendermaßen definiert: „vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.“ Rein rechtlich gilt der Telearbeitsplatz gemäß der Verordnung erst dann als eingerichtet, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die Bedingungen der Telearbeit im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt. Außerdem muss der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes (Mobiliar, Arbeitsmittel einschließlich der Kommunikationseinrichtungen) im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert haben.

Im vielfach praktizierten Corona-Homeoffice gibt es in der Regel keinen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz. Die Arbeitnehmer werden einfach kurzfristig mit dem Laptop nach Hause geschickt. Die ArbStättV findet deshalb keine Anwendung. Der Arbeitgeber muss weder den Vorgaben der ArbStättV entsprechend einen Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer einrichten noch eine Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 3 ArbStättV durchführen, bevor die mobile Arbeit begonnen wird.

Auch wenn die ArbStättV nicht greift, ist der Arbeitnehmer im mobilen Büro nicht schutzlos. Der Arbeitgeber ist auch bei mobiler Arbeit für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer verantwortlich. Arbeitsschutz ist für das mobile Büro ebenso relevant wie für den Arbeitsplatz im Betrieb. Nur allzu oft wird dies von Arbeitgebern übersehen. Damit es keine bösen Überraschungen gibt, muss der Arbeitgeber eine Vielzahl von Regelungen beachten, wenn er den Arbeitnehmer mobil arbeiten lässt:

gesetzlicher Arbeitsschutz: Die Bestimmungen des gesetzlichen Arbeitsschutzes gelten – mit Ausnahmen – grundsätzlich auch für den mobilen Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber muss gemäß Arbeitsschutzgesetz die Arbeitsbedingungen beurteilen und den Arbeitnehmer auf etwaige Gefahren hinweisen (§ 5 ArbSchG bzw. § 12 Abs. 1 ArbSchG). Die richtige Unterweisung ist wichtig, da der Arbeitnehmer der Kontrolle des Arbeitgebers weitgehend entzogen ist. Stundenlanges Arbeiten auf der Couch in verkrümmter Haltung kann auf Dauer ebenso krank machen wie schlechte Lichtverhältnisse zu Hause am Küchentisch. Hierauf muss der Arbeitgeber hinweisen. Eine Gefährdungsbeurteilung des mobilen Arbeitsplatzes gibt es dagegen nicht.

Arbeitszeiten im mobilen Büro: Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gelten auch für mobile Arbeit. Ob im Homeoffice oder unterwegs, Beschäftigte dürfen nicht mehr als gesetzlich zulässig arbeiten. Der Umfang der Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer ergibt sich aus den zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen. Die gesetzlich normierten Höchstarbeitszeitgrenzen dürfen auch bei mobiler Arbeit nicht überschritten werden. Die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann nur dann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Ebenso sind die Vorgaben zu den Ruhepausen (§ 4 ArbZG) und den Ruhezeiten (§5 ArbZG) einzuhalten.

Die Arbeitszeit sollte von Arbeitnehmern im mobilen Büro immer dokumentiert werden, da die reine Anwesenheit im Büro nicht als Grundlage herangezogen werden kann. Auf welche Art die Arbeitszeit dokumentiert wird, ist durch konkrete Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber zu regeln. Um hinsichtlich der Arbeitszeiten auf der sicheren Seite zu sein, können Arbeitnehmer mit Kollegen und Vorgesetzten feste Termine vereinbaren, um sich im Videochat zu treffen. Alternativ können sie sich selbst Fristen setzen, um den Tagesablauf zu strukturieren.

Erreichbarkeit: Ein Recht darauf, den Arbeitnehmer permanent zu erreichen, steht dem Arbeitgeber übrigens nicht zu. Sinnvoll ist es im mobilen Büro daher, die Zeiten der Erreichbarkeit an die üblichen Arbeitszeiten der jeweiligen Abteilung anzupassen. Außerhalb der geregelten Arbeitszeiten muss der Arbeitnehmer nicht erreichbar sein. Er muss weder Anrufe entgegennehmen noch E-Mails bearbeiten.

Datenschutz: Datenschutzvorkehrungen sind bei mobiler Arbeit ebenso zu treffen wie bei der Arbeit im Betrieb. Der Arbeitgeber hat für geeignete Schutzvorkehrungen zu sorgen. Die Gefahr von Datenschutzverstößen und der Preisgabe vertraulicher betrieblicher Informationen ist gerade bei mobiler Arbeit sehr groß, insbesondere wenn während der Zugfahrt, im Café oder zu Hause am Küchentisch gearbeitet wird.

Unfallversicherung: Verglichen mit einem Arbeitsplatz in der Produktion scheint das Arbeiten in den eigenen vier Wänden zunächst nicht gefährlich. Nicht versichert ist allerdings im mobilen Büro beispielsweise der Gang zur Toilette oder zur Küche. Was also, wenn der Arbeitnehmer beim Toilettengang oder Kaffeeholen stürzt? Das Sozialgericht München hat mit Entscheidung vom 4. Juli 2019 (Aktenzeichen S 40 U 227/18) nochmals klargestellt, dass ein Arbeitnehmer, der im Homeoffice die Toilette aufsucht und dabei stürzt, nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt ist. Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer auf dem Rückweg vom heimischen WC gestürzt und wollte dies als Arbeitsunfall geltend machen – vergeblich. Während der Weg zur Toilette im Betrieb gegen Unfälle versichert ist, greift dieser Schutz im mobilen Büro nicht. Die Arbeit am Schreibtisch sowie der Weg zum Arbeitgeber sind dagegen versichert und fallen dementsprechend unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass Arbeitsschutz auch für das mobile Büro gilt. Dies sollten sich Arbeitgeber bewusst machen, wenn sie Arbeitnehmer mobil arbeiten lassen. Auch wenn es verlockend ist: Es ist keine gute Idee, mobile Arbeit selbst dann zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft an einem fest eingerichteten Arbeitsplatz zu Hause arbeitet. Die strengeren Regelungen der ArbStättV kann der Arbeitgeber damit nämlich nicht umgehen. Ob sie Anwendung finden, hängt ausschließlich von der tatsächlichen Art des Arbeitsplatzes ab und nicht von der Bezeichnung.

Autor: Bettina Kunst ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei AfA Arbeitsrecht für Arbeitnehmer in Nürnberg (www.afa-anwalt.de).
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmalig in der WiM- Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2020, Seite 52, veröffentlicht.